Wie ist ein Menschenbild
für die nachhaltige Entwicklung
wissenschaftlich möglich ?
Die aus der Sicht der Menschen bedenkliche globale Situation der Natur, wie sie sich aktuell in Form der Klimaerwärmung darstellt, aber auch in Form der exzessiven Rodung der tropischen Wälder erkennbar ist, beruht auf dem exzessiven Wachstum der Menschheit als Population und dem unbegrenzten und unkritischen Einsatz von Technik zur Befriedigung der Bedürfnisse. Die Technik wiederum wird aus kurzfristigen Gewinn-Interessen der globalen Wirtschaft eingesetzt, die als funktional dominierendes Teilsystem unserer Gesellschaft andere Wertebereiche dominiert. In dieser Situation ist es schwer, eine Form eines Gleichgewichts zu erlangen, das global eine nachhaltige Entwicklung ermöglicht. Das lassen die politischen Diskussionen zum Klimawandel wie kürzlich in Kopenhagen erkennen: Klimaschutzmassnahmen sind für ärmere Länder nachrangig, es gilt den Hunger zu bekämpfen usw. Grundsätzlich ist das Gebot Energie, Ressourcen usw. zu „sparen“ (bio)ökologisch sinnvoll, doch führt eine verminderte Nachfrage auch zu wirtschaftlichen Problemen bei einer wachstumsorientierten Wirtschaftsordnung. Wirtschaftliche Probleme führen zu sozialen Unruhen, was niemand wünscht. Kurzfristige ökonomische Erfolge belasten häufig die Umwelt, mittelfristige Ökonomie ist mit Ökologie gutverträglich. So sehen zumindest die Argumentationsfiguren im öffentlichen Diskurs aus.
Auch die wissenschaftliche Diskussion um den „richtigen“ Weg zur nachhaltigen Entwicklung unserer Welt zeigt eine polare Struktur, insofern jeder Problembezug bzw. jede Position mit Hilfe einer bestimmten wissenschaftlichen Disziplin begründet wird – die Klimatologie betont die Technologiebedingtheit der Erderwärmung und kann auch die Folgen der Erwärmung aufzeigen. Ingenieurwissenschaften können die Folgen der Energieverbrauchsprozesse darstellen, die Geowissenschaften können die Ressourcenlage charakterisieren, die Bevölkerungswissenschaft kann die Entwicklung der Bevölkerung beschreiben, die Agrarwissenschaft kann die verfügbare Anbaufläche kalkulieren usw. An einer Zusammenschau der Prozesse in den verschiedenen Bereichen mangelt es aber. Was sollen wir nun tun?
Als einer der wenigen Forschungsansätze kann die Humanökologie zu solchen Fragen der Optimierung der Mensch-Umwelt-Beziehungen als interdisziplinäre Plattform dienen, die eine integrative Sicht erlaubt. Dabei sind vor allem systemtheoretisch fundierten Simulationsmodelle wie GEOSS hilfreich, die die Wechselbeziehungen zwischen Bevölkerung, Wirtschaft, Ressourcenverbrauch usw. modellieren und es erlauben, Entwicklungen der Welt im Computerlabor zu studieren. Mit dieser Methode werden Szenarien im Sinne von „Was wäre wenn..“ dargestellt und dann entsprechende mögliche Korrekturmaßnahmen identifiziert.
Bei der Tagung sollen daher verschiedene Aspekte aktueller ökologischer Themen wie der nachhaltigen Entwicklung separat dargestellt werden und dann mit der Brille der Humanökologie betrachtet werden und mögliche allgemeinverbindliche Orientierungen für das Verhalten der Menschen skizziert werden. Es fragt sich dabei auch, welche rechtlichen und bildungsmäßigen Voraussetzungen dazu erforderlich sind.
Damit ist diese sechste Veranstaltung in der Reihe zum Menschenbild im 21. Jahrhundert auf ein normatives Menschenbild ausgerichtet.
Besonders der Umstand, dass die neuere Humanökologie Mitte der 1970er Jahre in Wien durch die Initiative von Helmut Knötig wichtige Impulse bekommen hat, und dass es in Wien an der Alpen-Adria-Universität und der Universität Wien möglich ist, einen akademischen Abschluss in Sozialökologie bzw. Humanökologie zu erlangen, lässt Wien als Tagungsort für eine internationale Tagung zu diesem Thema attraktiv erscheinen.