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Prolog

Neuere biowissenschaftliche Befunde haben zu kritischen Diskussionen über das Thema  „Willensfreiheit“ als Eckpfeiler des modernen Selbstverständnisses und zur Frage nach der sozialen bzw. kulturellen Determination menschlichen Verhaltens geführt. Damit wird erneut an eine in der Nachfolge Darwins aufgekommene  Auseinandersetzung zwischen Biologie und Sozialwissenschaften angeknüpft, in der es vor allem um die Übertragbarkeit biologischer Erkenntnisse auf soziale Wirklichkeit ging und immer noch geht.
Bereits Spencer hatte Darwins evolutionstheoretische Konzeption des  Zusammenspiels von Mutation und Selektion „sozialdarwinistisch“  gedeutet und auf Gesellschaften übertragen. Soziale Wirklichkeit ist demnach durch permanente Konkurrenz und Selektion der „Stärkeren“ geprägt.
Unabhängig vom ideologischen Missbrauch wurde das Konkurrenz-Modell eine der zentralen Grundlagen ökonomischer Theorie, die sich auf die heutige Marktwirtschaft bezieht. Die moderne Soziobiologie hat sich inzwischen erheblich  weiterentwickelt und dabei eine Fülle von Befunden über die soziale Organisation des Zusammenlebens von Tieren erarbeitet, wobei nicht zuletzt die Relevanz von Formen der Kooperation gezeigt  wurde. Es sei dahin gestellt, ob sie „letztlich“ dem Überleben der Gene dienen.
Auch Gesellschaften wären ohne Kooperation (in Familien, in der Politik) nicht überlebensfähig. Die neuere experimentelle Ökonomik hat außerdem nachgewiesen, dass auch die Ökonomie ohne Kooperation nicht auskommt und korrigiert damit das einseitige Bild vom „Nutzenmaximierer“.
Es stellt sich daher die Frage nach einem integrierten Gesamtmodell,  welches der Komplexität der Thematik gerecht wird. Dazu bedarf es einer methodologisch und theoretisch angemessener Konzeption nicht nur der Konkurrenz, sondern auch der Kooperation (inklusive einer Kritik der allzu leichtfertigen Übertragung von Konzepten und Begriffen). Erforderlich ist dazu eine inhaltliche Konzeption, die beide Seiten in einen übergeordneten Rahmen stellt. Dabei ist die Vorstellung von „kooperativen Genen“ oder „kooperativen Gehirnen“ allein zu einfach, denn Selbstreflexion, gedankliche Vorausschau,  Erwartungen und Kalkulation in der Zeitperspektive sidn zusätzliche Voraussetzungen für Kooperation im Humanbereich, abgesehen von der normnativen Ebene der Kultur.  Diese vielschichtige, nicht reduzierbare  Problemlage könnte am besten in einer (human)ökologischen Perspektive integriert werden, die die Funktionsweise von Ökosystemen mit den Spezifika humaner Lebensweise vermittelt.
Um voneinander lernen zu können, muss man zunächst einander zuhören können. Die Tagung will deshalb einen Beitrag zur Kritik und Weiterentwicklung dieses Diskurses zwischen Biowissenschaften und Sozialwissenschaften leisten.

Charles Darwin Jahr 2009

Vienna Conference on Consciousness
Department für Verhaltensbiologie
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